MX - Jens Getteman: Ohne Ziel schwer, Fokus zu halten

Seit mehreren Jahren ist der Belgier Jens Getteman ein Dauergast auf deutschen Motocross-Pisten.

Aber 2020 konnte sich der dreifache Deutsche Meister noch nicht beweisen. Erst wurde das Vorsaisonrennen in Heilbronn-Frankenbach abgesagt, dann ruinierte das Coronavirus den DM- und ADAC MX Masters-Kalender.

Der 26-Jährige Pilot im Team Monster Energy Kawasaki Elf Team Pfeil spricht im Interview über die letzten Wochen, die Situation in seiner Heimat und seine Pläne für den Rest der Saison, die ihm und den Fans zumindest im September und Oktober einige Masters-Läufe bescheren soll.

Hallo Jens, wie geht es dir knapp drei Monate nachdem Covid-19 alles über den Haufen geworfen hat?

Jens Getteman: Mir geht es gut, ich bin gesund. Ansonsten ist hier nichts wie vorher. Viele meiner Landsleute sind verunsichert, teils sehr verängstigt.

Belgien hat zuletzt Lockerungen ermöglicht, so wie viele andere Länder auch. Davor war das öffentliche Leben und das eines Profisportlers stark beeinträchtigt, von gesperrten MX-Strecken ganz zu schweigen.

JG: Es war am Anfang noch nicht so heftig. Viele dachten, das wird nicht so schlimm kommen und das Virus verschwindet. Wir Belgier hatten sozusagen Glück, dass wir draußen alleine Sport machen konnten, Laufen oder Rad fahren, das machte den Lockdown viel erträglicher.

Wie ist es jetzt? Die Strecken haben wieder geöffnet. Aber wie sieht es aus mit Restaurants, Einkaufszentren, Schulen?

JG: Die Strecken sind in Betrieb. Auch haben etliche Geschäfte wieder offen. Restaurants und Bars bleiben zu.

Kannst du einfach zu einer Strecke gehen und fahren? Das ist hier in Deutschland kaum möglich. Bist du überhaupt schon auf dem Bike gesessen seit der Wiederöffnung?

JG: Es ist insgesamt schwierig. Wir haben vier Strecken in ganz Belgien und sehr viele Fahrer. Man muss sich vorher anmelden und Glück haben, dass man dabei bist. Leider bin ich seit dem Lockdown noch nicht gefahren. Ich weiß auch nicht, wann es soweit ist. Ich habe im Moment gar kein Motorrad, weil ich keines hier habe. Die Grenzen sind zu, ich komme nicht zum Team. Es ist aber noch Zeit, die ADAC MX Masters werden sicher nicht vor September starten.

Wie steht es um deine Fitness?

JG: Ich habe meinen hohen Level zu Beginn gehalten. Aber ohne konkretes Ziel ist es schwer, den Fokus zu behalten. Ich habe die übliche Trainingsroutine unterbrochen. Das ist dann so wie unmittelbar nach der Saison. Ich habe eine sehr gute Grundfitness. Wieder auf Topniveau zu kommen, sollte keine große Sache werden.

Es ist dein viertes Jahr mit Kawasaki. Du wolltest die komplette ADAC-Serie fahren und deinen DM Open Titel verteidigen. Dieser Plan ist Geschichte. Was sind deine Ziele für den Herbst, wenn es zumindest eine verkürzte Masters-Saison geben soll?

JG: Es wird anders sein als gewohnt, das ist offensichtlich. Ich war sehr, sehr nahe dran am Masters-Titel. Ich will das unbedingt und es bleibt für dieses Jahr das ultimative Ziel.

Dein Wechsel nach Deutschland 2017 und ins Team Pfeil hat deiner Karriere neuen Schub verliehen. Genau der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt?

JG: Absolut! Ich dachte damals an Rücktritt. Mit Hilfe von Jimmy Verburgh von F4E Racing kam der Kontakt mit Harald Pfeil zustande. Das war der Startpunkt. Es war die bestmögliche Entscheidung. Ich bin mit dem 85ccm Bike als Junior die ADAC-Rennen in Deutschland gefahren. Das jetzt mit dem besten Team im Fahrerlager wieder machen zu können, ist großartig. Wir verstehen uns perfekt und haben die gleichen Ambitionen.

Kann man Belgien und Deutschland vergleichen im Motocross? Die MX Masters gelten für viele als eine der besten Serien in Europa.

JG: Da gibt es nichts zu vergleichen, ganz sicher nicht! Es ist traurig, aber Belgien ist keine wirkliche Motocross-Nation mehr. Die ADAC-Serie steht für mich eine Stufe über anderen Meisterschaften. Frankreich geht vielleicht noch in diese Richtung. Ich war einige Jahre in der MXGP-WM, beim ADAC zu fahren macht viel mehr Spaß als die WM.

Du bist inzwischen auch als Geschäftsmann erfolgreich. Was ist dein Business?

JG: Es begann mit dem Lockdown. Ich hatte Zeit nachzudenken über viele Dinge, über meine Zukunft. Ich kann nicht immer weiter fahren und an manchen Tagen fühlt sich mein Körper an wie der eines alten Mannes (lacht). Also erarbeitete ich den Plan für eine Reinigungsfirma. Wir sind spezialisiert auf Fassaden und Dächer, aber auch Einfahrten, Fenster, Solarpaneele. Es war ein großer Schritt und es braucht viel Geld für Investitionen. Aber schon nach sieben Wochen hatte ich einige große Aufträge in der Baubranche. Aktuell sieht die Zukunft gut aus für mich.

Die Fans würden dich gerne weiter sehen auf deutschen Strecken. Könnte 2020 etwa deine letzte Saison werden?

JG: Ich weiß es nicht. Das Racing und die Firma, beides erfordert volle Aufmerksamkeit. Ich werde keine finale Entscheidung treffen, bevor ich nicht zumindest beides parallel und professionell probiert habe.